Risiken bei der Energieversorgung in Folge des Ukrainekrieges

Mögliche Mangellagen bei Strom und Gas haben in erster Linie mit unserer jahrzehntelangen Fixiertheit auf Wasserkraft und AKW zu tun. Flexible Reserven, die fehlende Energiemengen v.a. im Winter bereitstellen können, sind seit Jahrzehnten ignoriert worden.

Akut ist das Problem einer Energiemangellage jetzt geworden, wo Russland seinen Erdgas-Export nach Europa gedrosselt hat. Die Europäische Union importiert zwei Drittel ihres Erdgases. Mehr als ein Drittel kommt aus Russland, gefolgt von Norwegen, Algerien und Katar.

Als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat die EU Russland mit Sanktionen belegt. Als Gegenreaktion auf diese Sanktionen hat Russland seine Gasexporte nach Europa massiv gedrosselt. Ob und wann die Gasversorgung in Zentraleuropaes deswegen zusammenbricht, kann niemand vorhersagen, auch nicht Insider der Energiebranche. Das Risiko von Gas- und Strommangellagen hat sicherlich markant zugenommen, und ein weiterer Anstieg der Energiekosten scheint wahrscheinlich.

Finanziell gut abgesicherte Menschen sollten die aktuellen Energiepreissteigerungen nicht dramatisieren, auch wenn die Mangellagen ihr Wohlbefinden und ihren Lebensstandard negativ beeinflussen können.

Menschen mit tiefem Einkommen könnten von den Preissteigerungen jedoch existenziell bedroht werden. Hier ist die Politik verantwortlich mit geeigneten Kostenabfederungen diese Gefahr zu minimieren, beispielsweise mit einer finanziellen Unterstützung in Abhängigkeit der Krankenkassenzuschüsse.

Von einer Gas- zu einer Strommangellage

Die Schweiz hat keine eigenen Erdgasförderungen. Der Bedarf wird vollumfänglich durch Importe aus dem Ausland gedeckt. 55 Prozent des in der Schweiz verbrauchten Erdgas stammt aus EU-Ländern und Norwegen, gut 40 Prozent aus Russland. Im Vergleich zu den Ölvorräten verfügt die Schweiz nur über sehr geringe Gasspeicherkapazitäten. Sie lassen sich auch nicht von heute auf morgen aufbauen. Das Risiko einer Gasmangellage im Winter ist für die Schweiz in den letzten Monaten somit angestiegen.

Beim Ausfall der Gasversorgung werden viele Gaskonsument:innen alte Elektroöfen hervorholen oder sogar neue kaufen. Damit steigt der Stromkonsum und somit die Gefahr einer Strommangellage.

Es ist unrealistisch anzunehmen, dass uns die Nachbarländer bei einer allgemeinen Strommangellage mit höheren Stromimporten aushelfen werden. Selber werden sie mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben, und die Schweiz hat kein Stromabkommen mit der EU oder bilaterale Verträge mit den Nachbarländern. Den wichtigen Stromtransit nach Italien zu unterbinden wäre eine rechtsstaatliche Verletzung der abgeschlossenen Verträge seitens der Schweiz und würde unsere Energieversorgung wohl zusätzlich beeinträchtigen.

Fazit: Um das Risiko von Blackouts zu vermeiden, werden die Energieunternehmen vielleicht unsere Stromversorgung täglich regional für einige Stunden abschalten. Ein vorübergehendes Stromblackout kann auch nicht ausgeschlossen werden. Wir müssen somit Vorkehrungsmassnahmen treffen, damit nicht gleichzeitig alle Kommunikationskanäle und Infrastrukturen zusammenbrechen.

Unsere Spitäler und Behörden sollten ihre Notfunknetze und Notstromversorgungen laufend überprüfen und genügend Dieselöl auf Vorrat halten. Dies gilt auch für die Notkühlung (Restwärmeabführung) abgeschalteter AKW Reaktoren.

Wie einer akuten Gas- oder Strommangellage zu begegnen ist, hat der Bund in ersten Plänen dargelegt. Details dazu finden Sie hier.

Wie wir die Gefahr von Stromunterbrüchen im kommenden Winter reduzieren können

Zentral ist, dass die Stromversorger die aktuell aktuell zu tiefen Wasserstände in den Speicherseen maximieren, ihre Anlagen und Stromnetze (Swissgrid) optimal warten und bekannte Netzengpässe beseitigen.

Noch wichtiger ist, dass wir alle unseren Stromkonsum auf das absolute Minimum beschränken: In der Wohnung können wir einen Pullover Anziehen, statt sie auf 24°C zu heizen.

Fürs Heizen, das Laden der Elektroautos und für unsere Tumbler sollten wir nur elektrische Energie einsetzen, die zeitgleich mittels Solarzellen aus Sonnenlicht gewonnen wird. Lesen Sie weiter für mehr Details.

Energieeffizienz und Energieunabhängigkeit

Die Zuverlässigkeit unserer Energieversorgung geht Hand in Hand mit unserer Energieunabhängigkeit. Unabhängigkeit nicht nur bezüglich den fossilen Brennstoffen, sondern auch bezüglich des Urans.

a) Kurzfristige Massnahmen: durch energiebewusstes Verhalten und eine höhere Energieeffizienz
Energieeffizienz und -sorgsamkeit im Privaten

Unseren Energieverbrauch können wir auch zu Hause senken, von der Küche übers Bad bis ins private Büro. Die rund 3.9 Mio Privathaushalte in der Schweiz verbrauchen 34,6% des Stroms in der Schweiz (Stand Ende 2021), Deshalb lohnt sich das Energie sparen auch im Kleinen, sei es durch den Gebrauch von LED-Leuchten und dem Ausschalten der elektrischen Geräte anstelle sie im Standby Modus zu belassen.

Im Normalfall ist erfahrungsgemäss einzig ein deutlich höherer Strompreis ein wirksamer Anreiz für effektives Energiesparen. Dies gilt für die Wirtschaft wie für die Privathaushalte.

So können Sie im Alltag Strom sparen

Wegen der voraussichtlichen Gas- und Energieknappheit im kommenden Winter wird es nötig, dass alle ihren privaten Energieverbrauch senken. Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung gibt unter anderem folgende Tipps:

  • Heizen Sie die Räume im Winter auf maximal 20 Grad.
  • Verzichten Sie auf mobile elektrische Heizgeräte oder Klimaanlagen.
  • Lüften Sie kurz und kräftig.
  • Verzichten Sie auf Wäschetrockner.
  • Vermeiden Sie unnötige Beleuchtung.
  • Wenn Sie elektrische Geräte nicht brauchen, ziehen Sie den Stecker.
  • Sparen Sie Energie beim Kochen.
  • Brauchen Sie so wenig warmes Wasser wie möglich.
  • Stellen Sie die Temperatur von Kühl- und Gefrierschrank höher (7 Grad/-18 Grad).
  • Bügeln Sie so wenig wie möglich.
  • Verzichten Sie auf Gamen, Videostreaming sowie auf die Nutzung von Wellnessanlagen wie Sauna oder Whirlpool.

Weitere Details finden Sie auch hier.

Energieeffizienz in der Wirtschaft

Mit klaren Rahmenbedingungen kann die Politik der Wirtschaft Planungssicherheit geben. Mit Hilfe zur Selbsthilfe können gute Anreize fürs Energiesparen wie auch für Energieeffizienzsteigerungen und den Umstieg auf erneuerbare Energien gegeben werden.

Die Industrie und das verarbeitende Gewerbe verbrauchen 29.9% des schweizerischen Stromverbrauches, der Dienstleisungsbereich 25.5%.

Neben wirksamen Anreizen braucht es teilweise auch klare Vorgaben, wie das Verbot von grossen Stromfressern wie den Glühbirnen.

Energieeffizienz bei der Mobilität

Die private Energieeffizienz lässt sich mit mit energiebewusstem Verhalten steiger. Wie gross die Unterschiede in der Effizienz sein können, zeigt das Beispiel Mobilität.

Mit Verbrennungsmotoren betriebene Fahrzeuge stossen das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) aus und beeinflussen auf diese Weise das Klima.

2020 beliefen sich die CO2-Emissionen des Verkehrs auf insgesamt 13,4 Millionen Tonnen (ohne den internationalen Flugverkehr). Dies entsprach 39% der CO2-Emissionen der Schweiz.

Energieeffizienz der verschiedenen Verkehrsmittel

So klar diese Liste scheint, so vage ist sie in der Realität: beim ÖV und Individualverkehr beinhaltet sie weder Auslastung des Fahrzeuges noch die Fahrweise. Ob ein Zug von 50 oder 500 Personen benutzt wird oder ob der Fahrzeuglenker allein oder zu viert, vorausschauend oder im “stop and go” Modus mit sehr schneller Beschleunigung fährt, beeinflusst die Effizienz grundlegend.

* exkl. persönlichem Kalorienverbrauch

** falls nur erneuerbare Energie gebraucht wird

*** abhängig von Auslastung und Fahrzeugtyp

VerkehrsmittelEnergie-Verbrauch
pro 100 km
 CO2 Emissionen
pro 100 km
Velo0 kWh 0 *
e-Bike1 kWh 0 **
ÖV-Fernreisen
(Bus/Zug)
10 kWh ***0 ** – 2.5 kg ***
ÖV-Pendler
(Bus/Zug)
15 kWh ***0 ** – 3.5 kg ***
Elektroauto20 kWh 0 **
Auto (MIV)70 kWh20 kg

Gelingensbedigungen für Energie-Effizienssteigerungen

Effektives Energie sparen wird erfahrungsgemäss nur mit deutlich höheren Strompreisen funktionieren.
Dies wird zu milliardenhohen Überschüsse für die Stromunternehmungen führen.

Die daraus entstehenden Mehreinnahmen gehören der Bevölkerung und dürfen nicht ausbezahlt werden. Vielmehr sind sie zukunftsgerichtet für Investitionen in den Umstieg auf erneuerbaren Energieen zu nutzen.

Das ist der effektivste Weg, um zukünftig unsere Energieabhängigkeit zu reduzieren und zukünftige Blackouts zu vermeiden.

b) Mittelfristige Massnahmen zur Energiesicherheit

Grössere Energiesicherheit durch erhöhte Energieeffizienz, die Deckung des Strombedarfs mit Sonne, Wasser und Wind und den Ersatz aller bestehender Öl- und Erdgasheizungen

Mittelfristig müssen wir mit elektrischer Energie sparsamer umgehen, beispielsweise indem wir unsere Gebäude energetisch sanieren.

Im Sommer kann der Strombedarf vollständig mit Photovoltaik und norddeutscher Windenergie abgedeckt werden.

Die Stauseen sind primär zur Deckung des Strombedarfes im Winter einzusetzen. Pump-Speicherwerke (die vielzitierten Stromwaschmaschinen) dürfen deshalb nur noch mit Überschusswasser eingesetzt werden.

Unsere Speicherseen gehören weltweit zu den effizientesten «Batterien». Weder Wasserstoff- noch Methanolspeicher sind mit Speicherseen konkurrenzfähig. Die Speichervolumen lassen sich in der Schweiz jedoch kaum erhöhen und werden infolge Klimaerwärmung und Schmelzen der Gletscher eher abnehmen.

Zur Steigerung der energiepolitischen Unabhängigkeit vom Ausland und zur Reduktion der Treibhausgase ist die rasche Umstellung von Öl- oder Gasheizungen auf Wärmepumpen oder moderne Holzheizungen notwendig.

Erdsonden sind sehr langlebig und benötigen 4-5 mal weniger Energie als die alte Ölheizung, auch wenn sie lärmintensive Bohrarbeiten und hohe Einmalinvestitionen bedingen.

Luft/Wasser Wärmepumpen sind deutlich günstiger aber auch weniger effizient als Systeme mit Erdsonden. In den allermeisten Fällen lassen sich die hohen Ausgaben für Erdsonden und verbesserte Isolationen dank deren Langlebigkeit rasch amortisieren – jetzt, bei steigenden Energiepreisen, noch schneller.

Auch der Ausbau von dezentralen Wärme-Kraft-Kopplungs- (WKK-) und Power-to-Gas (P2G) Anlagen ist sinnvoll für unsere energetische Versorgungssicherheit. WKK-Anlagen produzieren nicht nur Wärme, sondern auch Strom – man spricht auch von Strom erzeugenden Heizungen.

WKK-Anlagen eignen sich für eine effiziente Strom- und Wärmeversorgung am Ort des Bedarfs. So liegt der Gesamtwirkungsgrad von WKK-Anlagen liegt bei über 90%.

Die dezentrale WKK-Lösung ist dabei eine optimale Ergänzung des geplanten Ausbaus der erneuerbaren Energien, weil sie einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Gesamtsystems auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel leisten kann.

Die Anschaffungs- und Installationskosten von KWK-Anlagen sind im Vergleich zu herkömmlichen Heizsystemen deutlich höher. Konkrete Preise lassen pauschal nicht nennen, da diese von verschiedenen Faktoren abhängig sind, unter anderem Heizsystem, Größe und Modell.

c) Längerfristige Massnahmen: durch technologischen Fortschritt

Innovation und technologischer Fortschritt können bei der Erreichung der Klimaziele helfen.

Auch in den kommenden Jahrzehnten werden Physiker und Ingenieurinnen mit hoher Wahrscheinlichkeit keine ausreichende und günstige Energieversorgung erfinden, die nicht gleichzeitig erneuerbar ist.

Kernfusion beispielsweise ist nicht billig: Unter Berücksichtigung der Umweltkosten sind die europäischen Kernkraftwerke bereits jetzt unrentabel und deren Energieproduktion rückläufig. Kernenergie ist zudem NICHT nachhaltig und bringt KEINE Energieunabhängigkeit.

Unsere Mobilität (Berufs- und Freizeit- und Flugverkehr) und das Wohnen produzieren gewaltige Mengen an Treibhausgasen. Wenn ein Fahrzeug einen Liter Benzin verbraucht, stößt es etwa 2,37 Kilogramm CO2 aus. 1 Liter Heizöl produziert mehr als 3 kg CO2.

Dank fünfzig Jahren intensivster Entwicklung im Bereich erneuerbare Energien haben wir heute jedoch effiziente Solarzellen (Photovoltaik), Solarkollektoren, Erdsonden und langlebige Wärmepumpen. Wir gehen davon aus, dass in wenigen Jahren schwere Lastwagen und Reisebusse mit Wasserstoff fahren.

Batterie-, Methanol-, Wasserstoffspeicher oder tiefe Geothermie werden kurzfristig unsere Energiemangellagen jedoch nicht lösen. Ob innovative Speichersysteme wie beispielsweise Sandbatterien im notwendigen Mass skalierbar sein können und sich längerfristig durchsetzen können, wird sich zeigen.

Ausschliesslich auf technologischen Fortschritt zu setzen, ohne den Umstieg auf die erneuerbaren Energien mit konkreten und wirksamen Schritten jetzt schon anzugehen ist verantworungslos und leichtsinnig.

Der einzig «selig machende» und auch kurzfristige Ausweg aus der Gefahr von Gas- und Strommangellagen besteht in einer besseren Energieeffizienz und einer höheren Energiesuffizienz.